MINT: Wie weit entfernt ist Juno im Juni?

Vielleicht kennt der Leser den sogenannten „Daumensprung“: betrachtet man seinen Daumen am ausgestreckten Arm abwechselnd nur mit dem linken bzw. dem rechten Auge, scheint er vor dem weiter entfernten Hintergrund hin- und herzuspringen. Dieses Phänomen, nämlich dass die Position eines Objekts sich bei Änderung des Betrachtungsortes scheinbar ändert, wird Parallaxe genannt. Interessant ist nun, dass man mit ein wenig Mathematik aus der scheinbaren Positionsänderung des Objekts auf dessen Entfernung zurückschließen kann, falls man den Abstand der zwei Beobachtungsstandorte kennt. Um auf das obige Beispiel zurückzukommen: misst man die scheinbare Bewegung des „springenden“ Daumens, kann man aus dem Augenabstand die Armlänge ermitteln.

Daher versuchen Astronomen etwa seit dem 17. Jahrhundert, Parallaxen von himmlischen Objekten zu messen: dadurch bekommt man z.B. sehr schnell eine Ahnung davon, wie extrem weit ausgedehnt (für menschliche Maßstäbe) unser Sonnensystem ist. Zum Internationalen Asteroiden-Tag am 30. Juni versuchten dies nun auch Schülerinnen und Schüler am Nepomucenum: und zwar sollte unter Verwendung des weltumspannenden Netzwerks von Forschungsteleskopen des Las Cumbres Observatory (LCO), das auch interessierten Schulen zur Benutzung offensteht, der aktuelle Abstand des Asteroiden Juno von der Erde ermittelt werden.

Bevor allerdings die Beobachtung geplant werden konnte, mussten sich die Schülerinnen und Schüler dabei mit im Alltag ungewohnten Koordinatensystemen auseinandersetzen: so misst man Positionen von Objekten am Himmel in einem bestimmten System von Polarkoordinaten (der Rektaszension und Deklination) und muss daher darauf achten, die „normalen“ geographischen Koordinaten der verwendeten Teleskope auf der Erde passend umzurechnen. Da die Erde sich jedoch um sich selbst sowie um die Sonne dreht, hängt diese Umrechnung auch noch vom Beobachtungszeitpunkt ab. In diesem Zusammenhang ist es zudem wichtig, dass das, was wir üblicherweise „Tag“ nennen, sich auf die Position der Sonne am Himmel bezieht und nicht ganz genau einer Drehung der Erde um sich selbst entspricht. Letzteres wird in der Astronomie ein „Sterntag“ genannt.

Als nächstes mussten die Schülerinnen und Schüler für die eigentliche Beobachtung von den verschiedenen LCO-Standorten geeignete auswählen, um von dort jeweils gleichzeitig Juno in den Blick nehmen zu können – denn offensichtlich kann ein bestimmtes Objekt am Himmel nicht zu allen Tageszeiten von überall auf der Erde sichtbar sein. Da außerdem die Beobachtungszeit an solchen Teleskopen natürlich notorisch umkämpft ist (siehe hier die aktuelle Auslastung), fiel schließlich die Wahl auf ein Zeitfenster von einigen Minuten, in dem Juno sowohl von Hawaii als auch Texas und Chile beobachtbar war.

Am 21. Juni um 8:05 Uhr Coesfelder Zeit klappte es dann tatsächlich: die von den Schülerinnen und Schülern via Internet ins LCO-Netzwerk eingestellten Beobachtungsaufträge wurden von Hawaii und Chile aus erfolgreich ausgeführt. Mithilfe spezieller Astrometrie-Software wurden die Aufnahmen daraufhin ausgewertet, und die genaue Vermessung der Positionen von Juno ergab von diesen beiden Standorten aus einen Parallaxenwinkel von etwa 1,6 Tausendstel Grad, d.h. scheinbar um diesen im wahrsten Sinne des Wortes „astronomisch kleinen“ Winkel „sprang“ der Asteroid auf den Bildern. Daraus ergab sich schließlich ein ungefährer Abstand zur Erde von 2,336 AE (wobei 1 AE der Entfernung der Erde zur Sonne entspricht), was sehr gut zum Wert aus der NASA-Datenbank für diesen Zeitpunkt passt.

Ein erfreulicher Abschluss dieses kleinen Projekts, das das Nepomucenum als Mitglied des deutschlandweiten Netzwerks von MINT-EC-Schulen in Zusammenarbeit mit der regionalen Arbeitsgruppe „Astronomie 2.0“ durchführte. Beispielhaft erlebten die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler hierbei authentisch heutige naturwissenschaftliche Methoden, die unter Einsatz digitaler Werkzeuge und Verwendung global vernetzter Ressourcen Erkenntnisse schaffen.