MINT: Zeitzeuge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl berichtet

Den ca. 1800km weiten Weg von Gomel in Weißrussland nahm Adam Varanets  aus Weißrussland auf sich, um den 9.Klässlern von seinem Leben mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zu berichten. 1986 war er an der Evakuierung der Kinder sowie an Dekontaminierungsarbeiten in seinem Heimatdorf Ostroglyady beteiligt, was aber nach einigen Wochen wegen Erfolglosigkeit aufgegeben wurde.

Ganz herzlich möchten wir uns bei der Kinderhilfe Tschernobyl Coesfeld sowie dem Umweltforum Münster und dem Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund bedanken, die diesen Besuch ermöglicht haben. Ein Zeitzeugen-Besuch, wie der von Adam Varanets und der Dolmetscherin Svetlana Margolina, ist eine eine besondere Bereicherung des Unterrichts, der sich nicht durch Filme oder Bücher ersetzen lässt.

Für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 ist es kaum vorstellbar, dass es damals keine Möglichkeit gab, sich zu informieren – ohne Internet und Telefon waren die Einwohner auf die Informationen durch die sowjetischen Offiziellen angewiesen. Und diese ließen die Menschen damals im Unklaren über die Gefahren, wie Adam Varanets berichtete. Als Lehrer hatte er durch einen Physik-Kollegen erste Hinweise auf das wahre Ausmaß der Katastrophe erhalten. Dennoch mussten er und andere Erwachsene, nachdem die Kinder endlich evakuiert waren, den ganzen Sommer das Dorf dekontaminieren, indem sie Dächer wuschen und die  obere Bodenschicht abtrugen. Für diese Arbeit wurde er als „Liquidator“ mit einer Medaille ausgezeichnet, die er den Schülerinnen und Schülern zeigte. Mehr bleibt ihm von dem gefährlichen Einsatz aber nicht, Renten und Entschädigungen sind gestrichen worden, seine krebskranke Tochter erhält kostenlos nur minderwertige weißrussische Medikamente, Ausländische müssen teuer gekauft werden. Dafür musste Adam Varanets in Polen auf Baustellen arbeiten, denn in Weißrussland gilt er wegen seiner Aufklärungsarbeit über die Gefahren der Reaktorkatastrophe und Begleitung von betroffenen Kindern zu Erholungsreisen nach Deutschland und Italien als Oppositioneller und wurde aus dem Schuldienst entfernt. Ebenso sorgte der weißrussische Geheimdienst für die Entlassung seiner Frau, die auch Lehrerin war.

Somit war es nicht nur ein persönlicher Zeitzeugenbericht über eine atomare Katastrophe, sondern auch eine Lehrstunde, dass Demokratie und Meinungsfreiheit keine Selbstverständlichkeit sind.