MINT: Pennäler prüfen Pallas‘ Parallaxe

Jeder kennt das wahrscheinlich: betrachtet man seinen Daumen am ausgestreckten Arm abwechselnd nur mit dem linken bzw. dem rechten Auge, scheint er vor dem weiter entfernten Hintergrund hin- und herzuspringen. Dieses Phänomen, nämlich dass die Position eines Objekts sich bei Änderung des Betrachtungsortes scheinbar ändert, wird Parallaxe genannt. Interessant ist nun, dass man mit ein wenig Mathematik aus der scheinbaren Positionsänderung des Objekts auf dessen Entfernung zurückschließen kann, falls man den Abstand der zwei Beobachtungsstandorte kennt. Um auf das obige Beispiel zurückzukommen: misst man die scheinbare Bewegung des „springenden“ Daumens, kann man aus dem Augenabstand die Armlänge ermitteln.

Diese Methode zur Entfernungsbestimmung wandten nun die ansonsten vom curricular vorgegebenen Unterrichtsstoff bei weitem nicht ausgelasteten Schülerinnen und Schüler eines der beiden Q2-Mathe-LKs an, um die aktuelle Entfernung des Asteroiden Pallas von der Erde zu bestimmen. Dazu wurde das weltumspannende Netzwerk von Forschungsteleskopen des Las Cumbres Observatory (LCO) verwendet, das auch interessierten Schulen zur Benutzung offensteht.

Im Zuge der Beobachtungsplanung mussten die Schülerinnen und Schüler zunächst von den verschiedenen LCO-Standorten geeignete auswählen, um von dort jeweils gleichzeitig Pallas in den Blick nehmen zu können – denn offensichtlich kann ein bestimmtes Objekt am Himmel nicht zu allen Tageszeiten von überall auf der Erde sichtbar sein. Da außerdem die Beobachtungszeit an solchen Teleskopen natürlich notorisch umkämpft ist (siehe hier die aktuelle Auslastung), fiel schließlich die Wahl auf ein Zeitfenster von einigen Minuten, in dem Pallas sowohl von Chile als auch Texas und Hawaii beobachtbar war.

Am 09. Oktober um 7:30 Uhr Coesfelder Zeit klappte es dann tatsächlich: die via Internet ins LCO-Netzwerk eingestellten Beobachtungsaufträge wurden von Chile und Hawaii aus erfolgreich ausgeführt. Mithilfe professioneller Astrometrie-Software wurde sodann die scheinbare Position von Pallas vor dem Fixsternhintergrund auf den verschiedenen Aufnahmen gemessen. Um hieraus den aktuellen Abstand von Pallas zur Erde bestimmen zu können, war es neben den bereits aus dem Unterricht bekannten Methoden der Analytischen Geometrie nötig, sich noch in einige andere mathematische und astronomische Fakten einzuarbeiten: dazu gehörten unter anderem das in der Astronomie verwendete Koordinatensystem mit Rektaszension und Deklination mitsamt ihrer Transformation in die üblichen kartesischen Koordinaten sowie einige trigonometrische Sätze aus der Dreiecksgeometrie.

Mithilfe dieser Mittel gelang es dann, aus den Daten einen Parallaxenwinkel von etwa 1,7 Tausendstel Grad (!) zu ermitteln, d.h. der Blickwinkel zu Pallas von Chile bzw. Hawaii aus unterschied sich um diesen im wahrsten Sinne des Wortes „astronomisch kleinen“ Wert. Daraus ergab sich schließlich ein ungefährer Abstand zur Erde von 2,1 AE (wobei 1 AE der Entfernung der Erde zur Sonne entspricht). Nur zur Einordnung: selbst das Licht benötigt schon knapp 20 Minuten, um diese Strecke zurückzulegen. Das ist natürlich kein Wunder, denn als eines der größeren Objekte im Asteroidengürtel zieht Pallas seine Bahn zwischen den Orbits der Planeten Mars und Jupiter.

Trotz dieser für menschliche Maßstäbe bereits gigantischen Entfernung passt der von den Schülerinnen und Schülern ermittelte Abstand von Pallas zur Erde für den 09. Oktober sehr gut, weicht er doch nur um gut 5% vom Wert aus der NASA-Datenbank für diesen Zeitpunkt ab. Ein erfreulicher Abschluss dieses kleinen Projekts, in dem die Schülerinnen und Schüler mit authentischen Daten wissenschaftliche Methoden einsetzten, die unter Einsatz digitaler Werkzeuge und Verwendung global vernetzter Ressourcen Erkenntnisse schaffen.

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