Großer Andrang in der Daruper Straße 4 – Stolpersteinverlegung für Familie Hertz im Beisein der Angehörigen

Mehr als 100 Menschen drängen sich in der Einfahrt und auf dem schmalen Bürgersteig vor dem weißen Haus an der Daruper Straße. Sie kommen nicht nur aus Coesfeld, sondern auch dem Umland, Süddeutschland und sogar den USA. Auch die Coesfelder Bürgermeisterin Eliza Diekmann-Cloppenburg sowie Mitglieder der Coesfelder Stolpersteininitiative sind vor Ort.

Sie alle sind zusammengekommen, um an diesem Tag im Juni 2025 derer zu gedenken, die vor mehr als 80 Jahren aus Coesfeld vertrieben, entrechtet, mishandelt und ermordert wurden, Menschen, die bis dato Nachbarn und Freunde waren. Doch Ideologie, Propaganda und Rassenwahn machten auch vor Coesfeld nicht halt.

Diesen Menschen ein Denkmal zu setzen machte sich der Künstler Gunter Demnig seit Beginn der 90er Jahre zum Ziel und seitdem wurden europaweit mehr als 100.000 der 10x10cm großen Quader verlegt, deren Messingtafeln an Leben und Schicksal der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern sollen.

Am 11. Juni 2025 kamen in Coesfeld zehn weitere Steine hinzu. Sie erinnern an Karoline, Hermann, Lina und Walter Hirsch, Hugo Oppenheimer sowie Albert, Paula, Liselotte, Siegfried und Gerd Hertz. Besonders zur Familie Hertz und den beiden Söhnen Siegfried, genannt Fritz, später Fred, und Gerd besteht für das Nepomucenum eine Verbindung, gingen beide doch hier zur Schule, Fritz von 1931-1937 und Gerd nur für knapp zwei Monate 1935. Hieran lässt sich schon erahnen, dass die Schulzeit im nationalsozialistisch geprägten Nepomucenum der 1930er Jahre keine besonders schöne Zeit für die beiden Geschwister gewesen sein muss. Vor allem Gerd Hertz erzählte später von den Drangsalierungen, die er durch Lehrer und Schüler gleichermaßen erlitt und die ihn schon nach kurzer Zeit wieder vom Nepomucenum vertrieben.

Dieses schmerzhafte Kapitel Schulgeschichte aufzuarbeiten ist eines der Ziele, dem sich immer wieder Projekte und auch die Schulgeschichtsgruppe anlässlich des 400-jährigen Bestehens des Nepomucenums 2027 widmen. Deswegen war es auch für die Schule und ihre Gremien selbstverständlich die Patenschaften für die neu verlegten Steine der Familie Hertz zu übernehmen.

In einer bewegenden Zeremonie wurde der Familie gestern im Beisein zahlreicher Verwandter und Nachkommen, darunter auch die Kinder von Fred und Gerd Hertz, vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Daruper Straße 4 ein Denkmal gesetzt. Fünf strahlende Stolpersteine schmücken nun den Gehweg und weisen so auf das Schicksal der Familie Hertz hin.

Für das Nepomucenum ergriffen stellvertretend die Schülerinnen und Schüler des Religionskurses von Herrn Spier aus der Jahrgangsstufe 9 das Wort. Symbolisch knüpften sie das Band zwischen ihrer Heimat Coesfeld und der Familie Hertz neu, das kurz vor Kriegsbeginn 1939 durch die Flucht der Familie endgültig zerschnitten worden war.

„Das Band, das sie mit dieser Stadt verbunden hat – zerrissen durch Verfolgung, durch Angst, durch Unrecht – dieses Band flicken wir heute wieder. Vielleicht nicht perfekt. Vielleicht bleiben Risse. Aber wir zeigen: Wir erinnern uns. Wir sehen was war. Und wir stehen dafür ein, dass so etwas nie wieder passiert.
Wir wollen zeigen, dass sich unsere Stadt und unsere Schule verändert haben und dass wir für Toleranz und Menschlichkeit stehen.
Heute sagen wir: Familie Hertz, ihr gehört zu uns. Und wir vergessen euch nicht.“