Schulgeschichte: Erinnerung an Flakhelfereinsatz

Die Westfälischen Nachrichten erinnern in einem Artikel vom 04.01.2013 an den Einsatz von Schülerinnen des Nepomucenums als Flakhelfer in Münster-Mecklenbeck vor 70 Jahren

Noch immer Blindgänger im Aatal (WN -04.01.2013) von Thomas Schubert

Als am 10.12.2012 in der Nähe von Haus Kump zwei schwere Blindgänger-Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft wurden, wunderte dies Karlheinz Pötter nicht. Im Aatal seien seinerzeit enorm viele Bomben niedergegangen, unterstrich der Vorsitzende des Mecklenbecker Geschichts- und Heimatkreises im Gespräch mit den WN. Dies habe nicht zuletzt damit zu tun gehabt, dass sich am Rande Mecklenbecks eine Flakstellung befunden habe.
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Am Ende des Wegs zwischen dem jetzigen Wacker-Sportgelände und der Wohnbebauung an der Egelshove befindet sich dieses Haus. Es ist ein Relikt der Wohnbaracken der einstigen Mecklenbecker Flakstellung, mit deren Geschichte sich Ortshistoriker Karlheinz Pötter (kl. Foto) beschäftigt hat. Foto: sch
„Die Bomber der Alliierten wollten diese Stellung unbedingt treffen“, weiß Pötter. In einem seiner ortsgeschichtlichen Bücher („Mit Mecklenbeck ins 3. Jahrtausend“) hat sich der Historiker mit der Luftabwehrstellung befasst. Sie befand sich links des heutigen Wohngebiets „Egelshove“ im Feld zu Altenroxel hin. Der jetzige Weg zwischen dem Wacker-Sportgelände und dem Wohngebiet hieß damals Großer Appellweg. Am Ende des Wegs standen die vier Geschütze, die feindliche Bomber vom Himmel holen sollten.  Da in den letzten Kriegsjahren alle wehrtüchtigen Männer an die Front mussten, wurden Schüler als Luftwaffenhelfer eingesetzt.

In der Mecklenbecker Flakstellung waren dies ab März 1943 Schüler der Staatlichen Oberschule für Jungen in Coesfeld (heute Nepomucenum), die teilweise gerade mal 16 Jahre alt waren. 

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Untergebracht waren die 44 Schüler in Wohnbaracken in der Nachbarschaft der Stellung. Ihr Alltag erstreckte sich nach einem strengen Dienstplan von morgens 6.30 bis abends um 21 Uhr. Da die Jungen noch Schüler waren, wurden sie beim Einsatz in Mecklenbeck noch unterrichtet. Die Lehrer reisten dazu per Bahn aus Coesfeld an und benötigten dafür jeweils 1,5 Stunden bis zur Batteriestellung. Laut Karlheinz Pötter sollte „der Anschein gewährt bleiben, dass die Schüler in ihrer üblichen Schulausbildung fortfuhren“. Doch damit wurde es im Laufe der Zeit immer schwieriger: „Oft fiel der Unterricht wegen Nachteinsätzen aus oder begann verspätet, und die Schüler schliefen regelrecht ein.“

 

Ab Mai 1943 wurde es ernst für die jungen Luftwaffenhelfer in der Mecklenbecker Flakstellung. Denn nach mehreren kleineren Einsätzen kam es zum ersten größeren Nachteinsatz. Da die Amerikaner verstärkt Bomber einsetzten, waren in der Folgezeit nächtliche Einsätze, die teilweise bis zu drei Stunden dauerten, die Regel. Die Flakstellung war den Alliierten ein Dorn im Auge, den sie nur allzu gerne beseitigt hätten. Deshalb wurde sie auch sie des Öfteren von feindlichen Bombern ins Visier genommen, was immer wieder Sach- und Personenschäden mit sich brachte,

aber auch dazu führte, dass sich im Umfeld unzählige Bomben verirrten.
Obendrein kam es nach Karlheinz Pötters ortsgeschichtlichen Recherchen auch dazu, dass Bomben durch starken Wind abgetrieben wurden und auf die Felder Mecklenbecks, Gievenbecks und Roxels fielen, was unter anderem am 5. November 1943 der Fall gewesen sein soll. Auch das Haupthaus von Haus Kump soll 1943 von ins Aatal abgedrifteten Bomben zerstört worden sein. Da Münster immer häufiger zum Ziel von Luftangriffen wurde, gesellte sich der mit den Coesfelder Oberschülern besetzten Flakbatterie im Februar 1944 eine weitere Batterie hinzu. Dort mussten 40 Neuntklässler des Schlaun-Gymnasiums die Geschütze bedienen. Beide zusammen bildeten eine große Flakstellung, die Angriffe auf die Stadt und die Zivilbevölkerung verhindern sollte – ein schier unmögliches Unterfangen. Bis Ende 1943 wurden laut Pötters Darlegungen 49 Luftangriffe auf Münster geflogen, denen bis 1945 weitere 53 folgten: „Insgesamt warfen die Alliierten 642 000 Stabbrandbomben, rund 32 000 Sprengbomben und 8000 Kautschuk-Benzolbrandbomben über Münster ab.“
Der schlimmste Angriff ereignete sich am Nachmittag des 10. Oktobers 1943: Über 700 Menschen starben, 32 amerikanische sowie 22 deutsche Maschinen wurden abgeschossen und weite Teile der Altstadt in Schutt und Asche gelegt. Bei den zahlreichen Angriffen, die die jungen Luftwaffenhelfer in ihrer Mecklenbecker Flakstellung trotz größter Bemühungen (der amerikanische Bomber-Schütze Jack Nosser berichtete von Flakbeschuss, den er „noch nie so gut gezielt“ erfahren habe) nicht verhindern konnten, gab es immer wieder Blindgänger und Irrläufer, von denen auch heute noch einige im Erdreich liegen. Laut Karlheinz Pötter wurde das Aatal, das selbst kaum bewohnt war, damals „unbewusst ganz intensiv bombardiert“. Zwei dieser Weltkriegs-Blindgänger wurden erst vor wenigen Tagen entschärft . . .