MINT: Jun Yi Chen Stipendiat der freigeist-Akademie

Bericht von Jun Yi Chen:

In den vergangenen Sommerferien habe ich vom 29. Juli bis 11. August die Freigeist-Akademie in Collevecchio in Italien besucht.

Die Akademie fand im ehemaligen Kapuzinerkloster Sant’Andrea statt, das oberhalb von Collevecchio in den Hügeln der Sabina liegt und sich ungefähr 70 km nordöstlich von Rom befindet. Wir waren insgesamt 20 Jugendliche, von denen einige bereits ihr Abitur hatten und die anderen es im nächsten Jahr anstreben. Am Ankunftstag fand die offizielle Eröffnung der Akademie und ein erstes Kennenlernen im Kreuzgang des Klosters statt.

Die Freigeist-Akademie bietet Bildungsprojekte für Oberstufenschüler, Schulabsolventen und Studenten an, die sich in ihrer Freizeit mit den Grundproblemen menschlichen Lebens befassen möchten. Ihre Zielsetzung beschriebt sie folgendermaßen: „Als weltanschaulich unabhängige Initiative junger Philosophinnen und Philosophen begegnet sie dem Orientierungsbedürfnis junger Menschen angesichts der heutigen Fächer- und Berufsvielfalt und verfolgt zudem einen ganzheitlichen Bildungsanspruch, der sich darin ausdrückt, dass unsere Akademien immer auch kulturelle und sportliche Angebote umfassen“ (siehe den obigen Link). Zwar legt die Freigeist-Akademie ihren Schwerpunkt auf die Geisteswissenschaften, insbesondere die Philosophie, jedoch sind auch Teilgebiete der Naturwissenschaft mit inbegriffen. Für die Teilnahme ist es wichtig, Neuem gegenüber offen zu sein. Selbstverständlich sollte auch ein Interesse an anderen Kulturen nicht fehlen.

Die Seminare während der Akademie wurden von jeweils zwei Dozenten geleitet, die nicht wie Lehrer arbeiteten, so dass kein typischer Schulunterricht erfolgte. Vielmehr wurden Diskussionen in Gang gebracht über Texte von z.B. Immanuel Kant, Platon, Hegel und anderen. Dabei gab es einen Querschnitt von den antiken bis hin zu modernen Philosophen. Die Dozenten vertraten einerseits die geisteswissenschaftliche Seite und zum anderen die naturwissenschaftliche Seite, sodass wir die im folgenden genannten Fragestellungen jeweils unter zwei verschiedenen Sichtweisen diskutierten. In der ersten Woche ging es um „Was soll es bedeuten?“ (Kunstgeschichte, Kunsttheorie, Ästhetik) sowie „Was können wir wissen?“ (Erkenntnistheorie, Mathematik, Physik). In der zweiten Woche behandelten wir dann die Themen „Wozu Bildung?“ (Literaturwissenschaft, Praktische Philosophie) und „Warum ist Natur schützenswert?“ (Umweltwissenschaften, Ethik, Geographie).

An den Seminartagen besuchten wir nach dem gemeinsamen Frühstück unsere gewählten Seminare. Nachmittags fand das freiwillige Programm statt: unter anderem ein Italienischkurs, alpines Felsenklettern und gemeinsame Ausflüge wie zum Beispiel nach Orvierto. Die gesamte Altstadt Orvietos ist auf einem Felsplateau errichtet. Dieses Plateau ist von einem Labyrinth von Kellern, Gängen und riesigen Zisternen durchzogen, von dem ein kleiner Teil für die Besichtigung freigegeben ist. Zudem machten wir auch einen Ausflug zum Badesee Lago di Vico, der ein wunderschön gelegener Vulkansee umgeben von einer Hügelkette ist.

Abends gab es stets ein abwechslungsreiches Programm: Vorträge, Schachabende, ein selbstorganisierter Lyrikabend, italienisches Kino, eine Diskussionsrunde zur Naturheilkunde, Einführung in die klassische Herrenausstattung und offene Studienberatung. Das Programm wurde von uns mitgestaltet und natürlich blieb auch Zeit, die anderen Teilnehmer der Akademie näher kennenzulernen.

Schließlich unternahmen wir auch noch eine Exkursion nach Rom. Dieser Ausflug war für mich das Highlight meines Aufenthaltes, da wir einzigartige Führungen vieler Sehenswürdigkeiten erhielten: eine Stadtführung, das Kolosseum, der Vatikan mit dem Petersdom, das Pantheon, die Vatikanischen Museen, die Sixtinische Kapelle, das Forum Romanum, die Villa Borghese, San Clemente, die Katakomben von Sant’Agnese und vieles mehr. Die Führungen unter Leitung unserer Dozenten waren sehr interessant, da sie richtige Italienfreunde und -kenner waren und zahlreiche persönliche Erfahrungen beisteuern konnten, so dass es ihnen mit Leichtigkeit gelang, uns mit ihrer Begeisterung für Rom und Italien anzustecken.

Die Akademie klang am letzten Abend mit einem Abschlussfest aus, auf dem bis spät in die Nacht getanzt, gesungen und gefeiert wurde – die zwei Wochen in Italien vergingen wie im Flug.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass es eine interessante und ereignisreiche Zeit war, die nicht nur lehrreich und erlebnisreich war, sondern mir auch viel Spaß gemacht hat. Auf viele Dinge habe ich einen Blick aus einer anderen Perspektive werfen können. Die Freigeist-Akademie hat hervorragende Dozenten, deren Begeisterung mitreißend ist. Ich freue mich schon sehr auf das für Oktober geplante Wiedersehen mit den übrigen Teilnehmern und Dozenten in Berlin.